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„Kennen wir uns nicht irgendwoher?“

16. September 2014

Zu Beginn eines ERP-Projektes treffen Menschen zusammen, die sich vielleicht kaum kennen, auch wenn sie in derselben Firma arbeiten. Hinzu kommen die MitabeiterInnen des Software-Anbieters. Sie alle sollen ab morgen intensiv zusammenarbeiten, aber heute wissen sie nicht einmal die Namen der anderen. Was tun?

Viele neue Menschen in kurzer Zeit kennenlernen

Ich denke da z.B. an eine Kickoff-Veranstaltung. Alle kommen zusammen, um ein ERP-Projekt zu beginnen: Die Keyuser der verschiedensten Abteilungen, die Teilprojektleiter, der Projektleiter, die Geschäftsführung, die Fachberater und (Teil-)Projektleiter des Software-Partners.

Den Chef kennt man natürlich, den einen oder anderen Kollegen auch, aber dort ist doch die Kollegin aus dem Gebäude gegenüber, wie hieß sie noch gleich…? Und er hier, das ist doch der…? Und wer ist das dort in der hinteren Reihe, ist der auch von uns?

Man hört die Vorträge, die das Projekt erläutern, und erfährt, dass man bald in „Workshops“ zusammensitzen und „Anforderungen“ formulieren soll. Nach „Geschäftsprozessen“ soll alles organisiert werden, und „Abteilungsgrenzen“ sollen überwunden werden. Man wird wohl miteinander reden müssen.

Irgendwann kommt die erste Pause. Die lebhaften Kontaktfreudigen unter uns haben kein Problem damit, fremde KollegInnen anzusprechen und zu sagen, „Guten Tag, ich bin XY und arbeite daundda. Und wer sind Sie?“ Aber wir anderen tun uns schwer. Wie soll man das Eis denn brechen – man weiß ja gar nichts vom Anderen!

Und wenn man so angsprochen wird, was sagt man da? Die Wenigsten können ja einen „Elevator Pitch“ aus dem Ärmel schütteln, also innerhalb von dreißig Sekunden alle relevanten Fakten über die eigene Person und die Aufgabe im Unternehmen unterhaltsam vermitteln.

Kennenlern-Spiele

Aber das macht nichts! Wenn eine größere Anzahl von Personen sich in kurzer Zeit kennenlernen müssen, helfen die sogenannten Kennenlern-Spiele. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe jedesmal wieder große Hemmungen, in „diese gruppendynamischen Spielchen“ hineinzugehen. Mein Vorurteil geht entweder in die Richtung „Jeder erzählt der Reihe nach über sich, was ihm gerade einfällt, während alle anderen mit ihrer eigenen Rede beschäftigt sind und nicht zuhören“  oder  „Jetzt muss ich vor wildfremden Leuten etwas Albernes tun“.

Aber wenn es darum geht, in kurzer Zeit viele neue Namen zu lernen, zu behalten und auch noch dauerhaft mit den zugehörigen Gesichtern zu verbinden, gibt es durchaus ein paar Hinweise aus der Lernforschung, die man sich zunutze machen kann. Häufig geht es dabei darum, Inhalte über mehrere Kanäle zu erfassen, also einen Namen z.B. mit einem Bild oder einer Bewegung zu verknüpfen.

Hier ein paar Beispiele:

Name – Tätigkeit – Bewegung

Die Teilnehmer stehen im Kreis. Der Erste sagt seinen Namen plus eine Tätigkeit, die mit demselben Buchstaben anfängt („Ich bin der schwimmende Herr Schmidt“). Dazu macht er auch noch eine passende Bewegung. Die Tätigkeit muss nichts mit Herrn Schmidt zu tun haben, es geht darum, im Kopf der Zuhörer ein bestimmtes Bild zu erzeugen und über den Gleichklang am Wortanfang mit dem Namen zu verknüpfen.

Der Zweite wiederholt Name, Tätigkeit und Bewegung seines Vorgängers und nennt dann seinen eigenen Namen (plus Tätigkeit und Bewegung). Der Nächste wiederholt alle seine Vorgänger und fügt seins hinzu – undsoweiter. Herr Schmidt denkt, er ist fein raus, weil er sich nichts merken muss – aber falsch: Die Übung ist erst zu Ende, wenn alle Teilnehmer einmal von allen Übrigen die Namen, Tätigkeiten und Bewegungen richtig wiederholt haben.

Dieses Spiel ist anstrengend, aber es funktioniert: Viele neue Namen lernt man so am schnellsten.

Das Spinnennetz

Fast genauso gut funktioniert das „Spinnennetz“. Die Teilnehmer sitzen im Kreis und werfen sich ein Wollknäuel zu, wobei sie das Ende des Fadens festhalten, so dass sich das Knäuel langsam abwickelt und zwischen den Leuten ein Netz entsteht.

Wer das Wollknäuel hat, nennt seinen Namen bzw. stellt sich kurz vor, bevor er das Knäuel weiterwirft.

Sind ale „vernetzt“, wird der Faden rückwärts wieder aufgewickelt. Wer an der Reihe ist, wiederholt, was er vom Vorhergehenden behalten hat – die anderen dürfen helfen.

(Manche Leute mögen die hohe Symbolwirkung, die es hat, wenn sich in der Mitte des Spiels der Projekt-Auftraggeber auf das gespannte Netz legt und die Gruppe ihn trägt. Ich habe mich das bisher noch nicht getraut.)

Gelogen!

Ein Teilnehmer stellt sich vor (Name und Funktion im Unternehmen) und nennt vier wenig bekannte Einzelheiten über sich: „Ich bin Amateurfunker, meine Familie stammt ursprünglich aus Frankreich, ich koche grauenvoll und habe eine Zeitschrift über Katzenzucht abonniert“. Er schreibt sie auf ein Flipchart.

Eine dieser vier Einzelheiten ist gelogen. Sie wird aber erst auf dem Flipchart wieder durchgestrichen, wenn die Gruppe sie erraten hat.

Der Schlüsselbund

Wenn die Teilnehmer so gar nichts über sich zu sagen wissen, dann sollen sie die Schlüssel an ihrem Schlüsselbund vorstellen und erläutern, warum sie ihnen wichtig sind.

Schneeball-Zettel

Jetzt wird es etwas dynamischer. Die Teilnehmer schreiben ihren Namen und drei möglichst spezifische Eigenschaften von sich auf einen Zettel. Die Zettel werden zusammengeknüllt, und alle spielen damit Schneeballschlacht.

Nach einer Phase des Austobens werden die Zettel eingesammelt (nachzählen!), ein Zettel geöffnet und die Eigenschaften vorgelesen (aber nicht der Name). Die betreffende Person meldet sich, und dann erst nennt der Vorleser den Namen. Die Person ist dann mit dem nächsten Zettel dran. Lustig wird´s, wenn sich niemand oder mehrere Leute in den Eigenschaften wiedererkennen.

Die „soziografische Aufstellung“

Die Teilnehmer sollen sich in einer Reihe aufstellen, und zwar nach bestimmten Kriterien (alphabetisch, nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Postleitzahl des Wohnortes o.ä.). Dazu müssen sie miteinander in´s Gespräch kommen. Variante: Ohne Worte!

Haben alle ihren Platz gefunden, erzählen sie der Reihe nach, warum sie dort stehen, wo sie stehen: „Ich bin jetzt seit 27 Jahren im Unternehmen, habe hier meine Ausbildung gemacht und anschließend im Einkauf gearbeitet. Seit drei Jahren bin ich Teamleiter im Service.“

Verschärfte Fassung: Man muss auch wiederholen, was man während der „Platzfindung“ vom Vorgänger und Nachfolger in der Reihe erfahren hat.

Weitere Spiele im Web

Von den hier aufgezählten Varianten weiß ich, dass sie funktionieren (von einigen anderen weiß ich, dass sie es – bei mir – nicht tun, aber darum erwähne ich sie ja hier nicht).

Es gib natürlich noch viel mehr „Kennenlern-Spielchen“, z.B. hier:

Ach ja: Wenn Sie nach dem Stichwort „Kennenlernspiele“ googeln, ergänzen Sie „Erwachsene“ oder „Seminar“ :-)

Noch ein Tipp

Nehmen wir an, Sie müssen eine Gruppe schnell zusammenbringen, mögen aber „Kennenlern-Spiele“ überhaupt nicht. Dann haben Sie vermutlich Sorge, sich so schon zu Beginn eines Projektes mit „peinlichem gruppendynamischen Schnickschnack“ zu positionieren. Delegieren Sie diese Aufgabe doch! Sie finden im Netz bestimmt mehrere Coaching- und Beratungshäuser in Ihrer Nähe, die sich mit „Change Management“ beschäftigen und eine solche Veranstaltung gern moderieren.